Alle wollen Europäische Ratingagentur

Um es mit einer bekannten Werbung zu sagen: die Geschichte der Europäischen Ratingagentur ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Dennoch hindert dies verschiedene Interessengruppen und die Politik nicht daran, diese unterstellte Notwendigkeit mit aller Macht zu verfolgen. Seit kurzem sind einige weitere Institutionen hinzu gekommen, die sich den Rufen der Politiker nicht verwehren wollen. Kein Wunder – es ist schliesslich Geld damit zu verdienen.

Die jüngste Entwicklung ist eine Initiative zu einer Europäischen Ratingagentur, der ein Konzept der Unternehmensberatung Roland Berger zu Grunde liegt. Beteiligt sind zusätzlich die Hessische Landesregierung, die Deutsche Börse und die Finanzplatzinitiative Frankfurt. Laut Süddeutscher Zeitung unterstütze die Bundesregierung diese Pläne.

Wie sieht nun das Konzept von Roland Berger aus? Einige Informationen finden sich in dem verlinkten SZ-Beitrag. Dort wird ein Senior Partner von Roland Berger mit den Worten zitiert, dass der Markt für Ratingagenturen grundlegend verändert werden müsse. So weit, so richtig – den Lesern dieses Blogs ist das seit langem bekannt. Weil ich nicht müde werde, darauf hinzuweisen. Auch die folgende Einschätzung von Berger-Partner Krall ist korrekt, wenn auch nicht neu: Grundprobleme seien der mangelhafte Wettbewerb und die Interessenkonflikte im bestehenden Ratingsystem. Die weiterhin von Krall vorgebrachte Kritik an gleichzeitiger Beratung und Bewertung durch die Agenturen ist jedoch seit der EU-Verordnung über Ratingagenturen haltlos, da dies mittlerweile verboten ist. Auch der Hinweis, die Kritik an den Agenturen gehe bis zum Jahr 2002 und dem Platzen der Internetblase zurück, ist ein wenig zu kurz gegriffen. In der über 100-jährigen Geschichte der Ratings gab es immer wieder Fehleinschätzungen. Neben Russlandkrise, Mexikokrise und Ölkrise ist insbesondere die Fehleinschätzung von Penn Central Ende der 60er Jahre zu erwähnen. Diese Pleite hatte eine Pflicht zur Anerkennung der Agenturen durch die amerikanische Börsenaufsicht SEC zur Folge. (Nota Bene: der Zulassungsprozess war extrem schwierig – es wurden einfach alle am Markt existenten Agenturen anerkannt)

Gut, die Systematisierung der Probleme durch Berger ist also einigermassen korrekt. Wie wollen sie nun die Probleme lösen?

Erster Hinweis ist die Kritik am issuer pays model. Also daran, dass die bewerteten Unternehmen und Banken ihr Rating selbst zahlen. Stattdessen möchte Roland Berger, dass die Investoren für die Bonitätsurteile zahlen – also das investor pays model. Wie man die Investoren dazu bekommt, für die Ratings zu zahlen, geht aus dem SZ-Artikel leider nicht hervor. Ausserdem möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass ich das investor pays model für haftungsrechtlich problematisch halte.

Als zweite Schwäche darf natürlich der Hinweis auf mangelhafte Transparenz nicht fehlen. Roland Berger will im Hinblick auf die dem Rating zu Grunde liegenden Daten, die Modelle, das Ratingverfahren und die Organisation der Agenturen die Transparenz erhöhen. Einiges davon wurde jedoch mit der EU-Ratingverordnung bereits eingeführt.

Als Rechtsform dieser neuen Europäischen Ratingagentur schlägt die Initiative eine private Stiftung vor, die von Investoren und Börsen getragen werden solle. Dass auch Investoren durchaus ein Interesse an der Beeinflussung eines Ratings haben können, wurde von mir bereits dargestellt.

Der SZ-Artikel schliesst mit der Aussage des Berger-Partners Krall: mit der notwendigen politischen und regulatorischen Unterstützung könne der Aufbau dieser Ratingagentur in sechs bis 12 Monaten beginnen und nach zwei bis drei Jahren soll sie sich am Markt etabliert haben. Mich würde sehr interessieren, was mit dieser notwendigen politischen und regulatorischen Unterstützung gemeint ist. Sollte diese, von der Politik geforderte, Europäische Ratingagentur regulatorisch bevorzugt werden, führt dies wieder zu Marktverzerrungen. Und das kann ja eigentlich nicht gewünscht sein. Die Umsetzung wäre sehr einfach: Politik und Aufsicht beschliessen einfach, dass ein Rating dieser neuen Agentur – die über noch keinerlei Expertise verfügt – für Emissionen in Europa verpflichtend ist. Die Lizenz zum Gelddrucken. Da Roland Berger in seiner Pressemitteilung explizit um Teilnahme an der Initiative bittet, habe ich bereits per Mail die Modalitäten angefragt – ich werde berichten.

Politisch korrekt sagt Krall: „Es geht nicht um Europa gegen Amerika, sondern darum, mehr Wettbewerb und mehr Transparenz im Ratingbereich zu schaffen“ – erinnert mich an einen Buchtitel….

Aber bitte: wenn auf dem Ratingmarkt neben den drei dominierenden Anbietern mit 95% Marktanteil EINE weitere Agentur hinzukommt, ist das für mich noch immer weit entfernt von (polypolistischem) Wettbewerb. Dazu müssten mehr Anbieter in den Markt eintreten – wie das funktionieren kann, habe ich in meinem Buch dargestellt.

Europäische Ratingagentur Part 5

Gerne und häufig verlinke ich an dieser Stelle auf das Handelsblatt. Auch in diesem Beitrag.
Der Titel: „Angriffe auf Ratingagenturen – ‚Sie treiben Volkswirtschaften in die Krise‘

Das Titelzitat ist von Brüderle, dafür kann das Handelsblatt nichts. Ein Minister sollte jedoch wissen, dass Ratingagenturen die Volkswirtschaften nicht in die Krise treiben. Das schaffen die Länder schon ganz alleine. Ratingagenturen können lediglich auf Länderkrisen aufmerksam machen. Das allerdings so prominent, dass vorliegende Probleme verschärft werden. Und an dieser Machtposition der Agenturen ist die Politik nicht ganz unschuldig.

Nun fordert die FDP-Bundestagsfraktion eine neue europäische Ratingagentur. Am 17.06.2011. Kennt die FDP-Fraktion den Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung, der sie angehört? Da steht das auch schon drin. Leider bleibt die konkrete Ausgestaltung dieser geforderten Agentur wieder einmal unklar.

Im nächsten Absatz geht es dann durcheinander – ich nehme an, das Handelsblatt gibt Minister Brüderle wieder, daher kurzes ökonomisches Durchzählen für Politiker:
Monopol = 1
Duopol = 2
Oligopol = wenige.
„Monopolstellung der angelsächsischen Institute“ geht also nicht. Im folgenden Satz ist dann auch von einem „engen Oligopol“ die Rede. Und dies sei – wegen der sich verschärfenden Griechenland-Krise – marktwirtschaftlich nicht mehr länger vertretbar. Ach so, wegen Griechenland jetzt nicht mehr? Ökonomisch ist ein Oligopol eigentlich immer suboptimal, dazu benötigt man keine Krise. Und mit einer einzigen europäischen Ratingagentur zusätzlich wird dann aus dem „engen Oligopol“ – ja was denn? Sicher kein – äh – breites (?) Oligopol. Und schon gar keine vollkommene Konkurrenz.

Anschliessend kritisiert Brüderle „scharf“ die aktuelle Abstufung Griechenlands durch die Agenturen. Ist die Ratingagentur Brüderle eigentlich bei der BaFin registriert?

„Auch wenn das Land nicht hinreichend wettbewerbsfähig sei, dürfe es jetzt nicht verramscht werden.“
Heisst das jetzt übersetzt: das Rating ist zwar richtig, aber es passt uns gerade nicht?
Liebe Ratingagenturen, bitte macht es bei europäischen Ländern wie bis 2008 und bewertet erstmal zu gut. Später, wenn die Pleite völlig offensichtlich ist, könnt ihr ja downgraden. Und wir Politiker können dann wieder meckern, dass die Agenturen nicht auf die Gefahren hingewiesen haben.
Ach und wenn das so nicht klappt, dann gründen wir unsere eigene Ratingagentur. Die bewertet dann so wie wir wollen.

Anschliessend weist der Handelsblatt-Artikel darauf hin, dass die SEC (US-Börsenaufsicht) zivilrechtliche Betrugsklagen gegen die Agenturen erwägt.
In amerikanischem Zivilrecht kenne ich mich nicht aus, aber ich befürchte, dass der Nachweis eines Betrugs schwierig werden könnte.

Wenn man unterstellt, dass Betrug vorliegt und dieser auch bewiesen werden kann: wie bitteschön kann denn dann ein Urteil lauten?
Wie viele Milliarden Strafe können es denn werden? Lag der Betrug durch die Agenturen nur bei den Derivaten vor, oder auch beim aktuellen Griechenland-Rating? Können Moody’s und S&P alleine die EU retten?
Gehen wir mal vom Extremfall aus: die Agenturen werden mit ihrem gesamten Vermögen haftbar gemacht und damit zerschlagen. Aufgelöst.
Was kommt danach? Niemand wird bei einer potentiell uferlosen Haftung dann zukünftig eine Bonitätseinschätzung veröffentlichen – keine Ratingagentur, keine Presse.
Wer sorgt dann für einen Abbau der Informationsasymmetrie? Wie sollen Anleger das Risiko ihrer Anlagen einschätzen?

Europäische Ratingagentur Part 4?

Heute ein kurzer Hinweis und Link zum weissgarnix-Blog.

Unter dem Titel „Wir haben schon eine europäische Ratingagentur“ wurde ein interessanter Vergleich von Ratings und Literaturkritikern gezogen.

In den Kommentaren entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, an der ich mich natürlich auch beteiligen musste. Dabei kam vom Autor des Beitrags, F. Luebberding, ein interessanter Link zur Berner Zeitung.

Hier äussert sich der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) Thomas Straubhaar zur Macht der Ratingagenturen. Er fordert einen Wettbewerb vieler gleichgestellter Ratingagenturen. Ob er mein Buch gelesen hat?

Deja vu – Europäische Ratingagentur

Das Thema Europäische Ratingagentur schafft es irgendwie immer wieder aufs Neue, in den Medien aufzutauchen. Dieses Mal eint die Idee Unionsfraktion und LINKE. Allein diese „Koalition“ sollte skeptisch machen, dazu muss man nichtmal meine verschiedenen Beiträge zu diesem Thema gelesen haben.

Gut, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, muss sich an den Koalitionsvertrag der Bundesregierung halten und die Gründung einer Europäischen Ratingagentur vorantreiben. Zumindest offiziell. Wie er dafür sorgen will, dass sich diese „durchsetzt“ bleibt leider offen. Ebenso die Frage nach der Rechtsform.

Diese Frage beantwortet der Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi. Öffentlich-rechtlich soll die neue Agentur natürlich werden. Vermutlich blitzt die alte Konditionierung auf, wenn Gysi sagt, dass private US-Agenturen nicht über das Schicksal ganzer europäischer Staaten entscheiden sollten. Geht Gysi nun davon aus, dass dies bei einer staatlichen europäischen Agentur in Ordnung wäre? Oder teilt er meine Auffassung, dass eine solche Agentur die Bonitätseinschätzung, z.B. der EU-Staaten, „diplomatischer“ vornimmt?

Um es nochmals deutlich zu sagen: auch ich bin der Meinung, dass die Dominanz einiger weniger Agenturen problematisch ist. Allerdings sollte die oligopolistische Marktform auf dem Ratingmarkt durch mehr Wettbewerb durchbrochen werden. Eine einzelne europäische, öffentlich-rechtliche Agentur kann die Ratings und den Ratingmarkt nicht verbessern – nicht zuletzt wegen ihrer immanenten Probleme.

Finanzkommunikation

Meine hauptsächliche Beratungsleistung – Finanzkommunikation – erfreut sich zunehmender Beachtung. Nachdem ich in diesem Bereich seit einigen Jahren beratend tätig bin und bereits vor über einem Jahr im IHK-Magazin „Wirtschaft Nordhessen“ einen entsprechenden Beitrag beisteuern konnte, veröffentlich nun die Financial Times Deutschland ein „Spezial Finanzkommunikation„. In verschiedenen Beiträgen werden Hinweise gegeben, wie Unternehmen die Kommunikation mit ihren Kapitalgebern verbessern können.

Ebenfalls zu diesem Thema fand vor einigen Tagen eine Veranstaltung in Kassel statt, initiiert von der Industrie- und Handelskammer. Auch hier wiesen verschiedene Experten auf die Wichtigkeit des Dialogs zwischen Unternehmen und Kreditgebern hin. Zu Gast waren u.a. der „Kreditmediator Deutschland“ Hans-Joachim Metternich, der Geschäftsführer des Instituts für Kredit und Finanzwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Stefan Stein und der Vorsitzende des Bundesverbandes der Kreditmediatoren, Rainer Langen.

Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass eine gute, kontinuierliche Finanzkommunikation den Unternehmen Geld sparen kann. Diese Ersparnis überkompensiert die Kosten, die sich bei einer qualifizierten Beratung ergeben.