Stiftung Bonitätstest?

Und wieder berichtet das Handelsblatt (Premium-Content, Nr. 088 vom 07.05.2010, S. 46), dass EU-Parlamentarier die Gründung einer europäischen Ratingagentur gefordert haben. Dies solle unter dem Dach einer unabhängigen Stiftung geschehen, die jeweils zu einem Drittel von der EU-Kommission, den Euro-Finanzministern und der EZB getragen werden solle. Diese „European Rating Foundation“ solle lediglich Staatspapiere bewerten. Vorbild sei die deutsche Stiftung Warentest, deren Unabhängigkeit nicht angezweifelt werde.

Ja nee, is klar !

Es ist relativ leicht, unabhängig zu sein, wenn man Aldi-Dominosteine testet. Und die Ergebnisse maximal Einfluss auf ein privates Unternehmen haben.

Schwieriger könnte es werden, wenn um die Bonitätsbewertung von Staaten geht, deren Ergebnis Auswirkungen in Milliardenhöhe haben kann. Sowohl für die bewerteten Staaten als auch für potenzielle Hilfsstaaten.

Da sind die Träger dieser Stiftung natürlich völlig objektiv. Die (eigentlich gesetzlich unabhängige) EZB hat bereits dem politischen Druck nachgegeben und akzeptiert neuerdings „Ramschanleihen“ als notenbankfähige Sicherheiten. Die Euro-Finanzminister erklären ihren Wählern bestimmt gern, dass aufgrund eines schlechteren Ratings (ihrer eigenen Agentur!) die Hilfspakete der jeweiligen Länder einige Milliarden höher ausfallen müssen. Und auch die EU-Kommission sieht einem potenziellen Bankrott eines der EU-Mitgliedsländer völlig gelassen entgegen, wenn ihre Ratingagentur das so bewertet.

Darüber hinaus behaupten die EU-Abgeordneten, dass diese Agenturstiftung zu mehr Wettbewerb auf dem Ratingmarkt führe.
Eine einzige Agentur in der Rechtsform einer Stiftung, die nur Staatspapiere bewertet?

Ich sehe S&P und Moody’s förmlich zittern vor Konkurrenzangst. Zusätzlich machen sich die großen Ratingagenturen vermutlich auch Sorgen darüber, dass ihre besten Analysten zu dieser Stiftung abwandern und ihre respektablen Gehälter gegen öffentlich-rechtliche Löhne eintauschen.

Wie kommen Politiker eigentlich immer auf solch geniale Ideen?

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Müssen Ratingagenturen verramscht werden?

Der Spiegel veröffentlichte heute in seiner Online-Ausgabe einen Gastkommentar von Thomas Straubhaar mit dem Titel „Warum Rating-Agenturen verramscht werden müssen„. (Der Link bei SpON führt zum Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut, Prof. Dr. Thomas Straubhaar ist Lehrstuhlinhaber im Arbeitsbereich Internationale Wirtschaftsbeziehungen des Fachbereiches Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg).

Ohne den Kollegen jetzt übermäßig verärgern zu wollen: der Beitrag fängt unklar an, wird jedoch zum Ende hin besser.

Bereits der Eingangssatz ergibt ein falsches Bild. „Griechenland ist der Beweis: Rating-Agenturen verschärfen Krisen, statt sie zu verhindern.“ Seit wann wurden Ratingagenturen damit beauftragt, Krisen zu verhindern? Ihre einzige Aufgabe besteht in der möglichst korrekten Beurteilung der Bonität von Schuldnern bzw. deren Finanztiteln. Und diese Aufgabe haben sie, nicht nur in der jüngsten Vergangenheit, suboptimal gelöst. Korrekt ist auch, dass das Geschäftsmodell der Agenturen mit Interessenkonflikten belastet ist. Wenn der Auftraggeber des Ratings gleichzeitig der Emittent der Papiere ist und für die Bewertung zahlt (issuer-pays-model), kann dies zu Gefälligkeitsurteilen führen. Zusätzlich wird die oligopolistische Marktstruktur durch bankaufsichtsrechtliche Vorgaben (Basel II) verfestigt. Auch aus diesem Grunde gehören die Agenturen weiterhin zu den wichtigsten Akteuren der Finanzmärkte.

Straubhaar beschreibt, dass nach der Ratingherabstufung Griechenlands „auf Ramschniveau“ Panik an den Finanzmärkten ausbrach. Diese Wortwahl, die übrigens von vielen Medien getroffen wurde, ist leicht irreführend. Freundlicherweise führt der Spiegel eine Übersicht aller Ratingnoten in dem Artikel auf. Daraus geht hervor, dass bei S&P noch zehn (!) Ratingnoten unterhalb von BB+ existieren. Allerdings befindet sich Griechenland mit dem S&P-Rating BB+ im speculative-grade (im Gegensatz zum investment-grade). In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass die Anlagerichtlinien einiger US-amerikanischer Pensionsfonds nur die Anlage im investment-grade-Berecih erlauben. Daran tragen jedoch die Ratingagenturen keine Schuld.

Anschliessend schreibt Straubhaar: „Erneut haben die Rating-Agenturen also mit ihren Bewertungsänderungen zur Krisenverschärfung und nicht zur Krisenverhinderung beigetragen.
Nochmal: wie soll jemand, der lediglich die Bonität eines Schuldners ermittelt, Krisen verhindern? Und bislang wurden nicht die Bewertungsänderungen der Agenturen kritisiert, vielmehr das genaue Gegenteil. Bis kurz vor ihren Zusammenbrüchen wurden AIG, Fannie Mae und Freddie Mac noch mit der Bestnote AAA bewertet. Als Hauptproblem wurde das zu späte Erkennen bzw. die zu späte Änderung der Ratingnote durch die Agenturen kritisiert.
Im Ergebnis ist es nun unerheblich, ob und wann Ratingagenturen ihre Einschätzung ändern und veröffentlichen – falsch ist es scheinbar in jedem Fall. Im nächsten Absatz schreibt dann auch Straubhaar, dass die Agenturen nur im Nachhinein reagieren.

Besonders gelungen ist die Formulierung: „Sie [die Agenturen] sehen Krisen nicht im Voraus […]“. Wer würde das nicht gern können?!

Um kurz auf die im Artikel postulierten Forderungen einzugehen:
– eine Pflichtabgabe für die Nutzer von Ratings ist ein interessanter Ansatz
– der Forderung nach größerer Transparenz und strengerer Aufsicht wurde in der EU-Verordnung über Ratingagenturen bereits nachgekommen
–  die Agenturen für ihre Bewertungen in die Haftung zu nehmen erscheint nur schwer umsetzbar. Dies würde einer uferlosen Haftung gleichkommen, mit der Folge, dass niemand mehr Bonitätsurteile veröffentlichen würde
– „die Rating-Agenturen endlich von ihrem nahezu hochrichterlichen Ross der Unfehlbarkeit herunterzuholen“ wurde auch in der neuen EU-Verordnung versucht, indem darauf hingewiesen wird, dass Ratings nicht die eigene Einschätzung ersetzen können. Und auch die Agenturen selbst weisen explizit auf einen hohen Subjektivitätsgrad ihrer Urteile hin.

Im Folgenden beschreibt dann Straubhaar selbst, dass seine vorherigen Forderungen kaum realisierbar sind.

Letztlich ist nur eine Entmachtung der Rating-Agenturen zielführend. Die Rating-Agenturen dürfen für die Entscheidungsbildung auf den Kapitalmärkten nicht mehr die herausragende Rolle spielen wie in der Vergangenheit. Ihre Urteile sollen nur noch zu einer Meinungsäußerung von mehreren werden, auf die hören mag, wer will.
Zur Entmachtung gehört auch eine Zerschlagung des bestehenden Oligopols. Ein Oligopol, das den drei großen Rating-Agenturen einen Marktanteil von rund 95 Prozent sichert und hohe Gewinnmargen garantiert, muss mit wettbewerblichen Maßnahmen zerschlagen werden. Ein intensiverer Wettbewerb ist die erfolgreichere Strategie, den Einfluss der Rating-Agenturen zu brechen, als mit immer größerem Kaliber der Regulierung am eigentlichen Ziel vorbeizuschießen.

Mit der Aussage, ihre Urteile seien eine reine Meinungsäusserung, begründen die Agenturen selbst ihre Nicht-Haftbarkeit. Allerdings wurden in den USA Klagen zugelassen, bei denen das Recht auf freie Meinungsäusserung ggf. nicht einschlägig ist.

Die Zerschlagung des Oligopols mit wettbewerblichen Massnahmen findet meine vollste Unterstützung – leider liefert Straubhaar keinen Hinweis darauf, wie er sich das vorstellt. Aber die treuen Leser dieses Blogs kennen ja das bislang einzige Modell für mehr Wettbewerb auf dem Ratingmarkt.

Mittelstand ringt um bessere Ratings bei Banken

Gastbeitrag von Michael Multhaupt:

In der Onlineausgabe des Handelsblatt vom 30. April 2010 wird berichtet, dass das Bewertungssystem (internes Rating) der Banken die mittelständischen Unternehmen bei der Kreditvergabe überfordern. In dem Beitrag wird von einem IT-Unternehmer berichtet, der dank seiner Controllerin die Ratingnoten unter Bezugnahme der Bewertungskriterien analysieren konnte und somit eine bessere Ratingnote bei seiner Bank durchsetzte.

Ausschlaggebend ist, dass eine gute Ratingnote – nicht nur für Griechenland – für viele Unternehmen überlebenswichtig ist. Durch das Rating wird seitens der Banken beurteilt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Kunde sowohl den Kredit als auch die Zinsen zurückzahlen kann. Ist die Bonität schlecht, ergeben sich daraus teure Kreditkonditionen. Es ist wichtig festzuhalten, dass in der jetzigen Zeit (Wirtschaftskrise! – Ausmaß unbekannt) die kreditgebenden Institute teilweise allzu hohe Risiken scheuen und die Kreditnehmer noch stärker als in den vergangenen Jahren kontrollieren. Dies gilt sowohl vor als auch nach der Kreditvergabe.

Laut Handelsblatt sind Branchen wie die Automobilbranche, die Maschinenbauer und die metallverarbeitende Industrie besonders betroffen und deren Reserven aufgezehrt. Gemäß einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) wurde festgestellt, dass bei jedem viertem Unternehmen, die Kreditkonditionen schlechter seien als 2009. Etwa 100 000 Firmen (3 %) bekommen aufgrund der schlechten Bewertung kein Geld mehr. Es wird seitens der Banken mehr Sicherheiten und Transparenz verlangt. Festzuhalten bleibt auch, dass nach einer Umfrage des Mannheimer Instituts für Mittelstandsforschung die Bewertungen für 2010 schlechter ausfallen werden, da die Ratings sich auch auf das Krisenjahr 2009 beziehen und die Zahlen des vorangegangenen Jahres einen erheblichen Einfluss haben.

Nach Aussage von Johann Eekhoff, Präsident des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), sind „[…]die Risiken von Krediten heute eindeutig höher als zuvor„. Untermauert wurde diese Aussage durch Norbert Winkeljohann, der bestätigte, dass viele Banken einen Wertberichtigungsbedarf in ihren eigenen Bilanzen spüren. Daraus folgt, dass in Zukunft weniger Risiken eingegangen werden, wenn die Banken einerseits Wertberichtungen vornehmen müssen und andererseits die Unternehmen ihr Eigenkapital aufgezehrt haben. Somit muss in Zukunft die Kreditwürdigkeit stärker als in der Vergangenheit bewiesen werden.

Weiterführend stellt der Bericht dar, dass von vielen Unternehmen die Bedeutung von Ratings noch nicht erkannt wurde und viele Unternehmen die Ratings nicht durchschauen und ihre Bewertung noch nicht einmal kennen. In dem vorangegangen Blogbeitrag „Externes Rating für bessere Kreditkonditionen“ wurde auf die wichtigsten Kriterien quantitativer und qualitativer Art hingewiesen. Zu beachten ist auch, dass die quantitativen Faktoren eine stärke Gewichtung haben als die qualitativen Gegebenheiten. Die ist vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen zu beachten. Die wichtigsten Kriterien beim Rating sind die Liquidität bzw. der Cash-Flow, da Liquiditätsprobleme meist zu einer Insolvenz führen.

Es bleibt festzuhalten, dass es wichtig ist, gegenüber den Banken mit offenen Karten zu spielen und die Probleme nicht zu verstecken, sondern diese gegenüber den Banken offen zu kommunizieren, da diese zeitverschoben unter Umständen dann doch sichtbar werden und es dann zu spät sein kann.