In den letzten Tagen veröffentlichte die Wirtschaftspresse einige interessante Entwicklungen auf dem internationalen Ratingmarkt.
Zum einen berichtet das Handelsblatt von einer (halbstaatlichen) chinesischen Ratingagentur, die das investor pays model verfolgt. Im Gegensatz zu den großen amerikanischen Agenturen, bei denen der Emittent der Wertpapiere für das Rating zahlt (issuer pays model), soll die chinesische Agentur von den Investoren bezahlt werden. Diese Agentur sei nicht gewinnorientiert und wolle eine unabhängigere Risikobeurteilung ermöglichen. Neben der Frage, ob sich genügend Investoren finden, die bereit sind, für Ratings zu zahlen, existieren weitere Kritikpunkte am investor pays Modell.
Diese Kritikpunkte werden in einem Artikel der Financial Times Deutschland aufgegriffen. So haben Investoren durchaus Anreize die Ratingnote zu beeinflussen. Da eine geringere Bonität einhergeht mit einem höheren Zinssatz, haben Investoren eine Präferenz zu geringeren Ratingnoten, um ihre Rendite zu erhöhen. Ausserdem sehen die Anlagerichtlinien verschiedener institutioneller Investoren nur eine Anlage im Investment-Grade-Bereich vor. Dies gilt z.B. für die amerikanischen Pensionsfonds. Hier könnte es zu Manipulationen kommen, indem Anleihen aus dem Bereich Speculative Grade besser bewertet werden, um eine Investition in diese Papiere zu ermöglichen.
Verschiedene Ansätze zur Verringerung der Probleme auf dem Ratingmarkt wurden in diesem Blog bereits vorgestellt, so auch das Modell des Verfassers dieser Zeilen. Eine weitere Idee bringen nun die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Spiel. Für die Erteilung einer Bonitätsnote sollten die Ratingagenturen zukünftig eine geringere Gebühr als bisher erhalten. Die Restzahlung solle erst später erfolgen, wenn klar sei, wie gut die Bonität des Schuldners eingeschätzt wurde.
Aus dem Artikel geht leider nicht hervor, wann genau dieses „später“ sein soll. Dies ist jedoch m.E. eine entscheidende Frage. Bei Emissionsratings, also der Beurteilung einer bestimmten Anleihe, könnte die Bezahlung der Agentur am Laufzeitende des Papiers erfolgen. Aber wie wird mit Emittentenratings, d.h. der Bonitätseinschätzung eines Unternehmens, verfahren? Welchen Einfluss hat eine Anpassung der Ratingnote durch die Agentur auf die Bezahlung? Wie werden Folgeratings, also die fortlaufende Bewertung nach dem Erstrating, entlohnt?
Insgesamt scheint der IWF-Ansatz eine interessante Idee zu sein, einige Fragen müssen allerdings noch beantwortet werden.