Nach langem und zähem Ringen hat sich die EU nun scheinbar auf neue, strengere Regeln für Ratingagenturen geeinigt. So soll eine Haftung eingeführt werden, neue Ratings nur zu vorab festgelegten Terminen Terminen veröffentlicht werden, die Ratingkriterien offengelegt werden und das Rotationsprinzip für „bestimmte komplexe Papiere“ eingeführt (laut dem „Stern„)
Schauen wir uns die einzelnen Regeln mal genauer an:
Eine Haftung der Ratingagenturen bei grober Fahrlässigkeit und arglistiger Täuschung hat es in Deutschland schon lange gegeben – da wird es Zeit, eine solche Regelung EU-weit einzuführen. Übrigens nicht nur für Ratingagenturen. Das Hauptproblem wird jedoch weiterhin darin bestehen, den Agenturen dieses Fehlverhalten nachzuweisen.
Die Bestimmung, dass Ratings für EU-Länder ausschliesslich an vorher festgelegten Terminen veröffentlicht werden dürfen ist natürlich ein Witz. Sollten zwischenzeitlich wesentliche, das Rating eines Landes beeinflussende Tatsachen bekannt werden, kann man doch nicht abwarten! Ein Arzt gibt seine Diagnose ja auch nicht nur dann ab, wenn es dem Patienten gerade passt. Und wieso eigentlich nur EU-Länder?
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die finanzielle Situation der EU-Mitgliedsländer die Hauptrolle für diese Vorschrift gespielt hat. Wenn man Ratings schon nicht – wie tatsächlich geplant – verbieten kann, dann begrenzt man einfach die „gefährlichen“ Veröffentlichungen. Und wenn eine Regierung mit einem Downgrade rechnen muss, kann man schnell noch vor dem festgelegten Ratingtermin Geld auf dem Kapitalmarkt zu günstigeren Konditionen besorgen.
Die Veröffentlichungszeiten an den vorab festgelegten Terminen müssen ausserhalb der Geschäftszeiten liegen – ich meine mich zu erinnern, dass die großen Ratingagenturen bislang auch schon noch Börsenschluss New York ihre Ergebnisse veröffentlichen. Also ausserhalb der EU-Geschäftszeiten.
Zusätzlich müssen die Agenturen ihre Ratingkriterien veröffentlichen. Wer jemals auf den Internetseiten von S&P, Moody’s oder Fitch nachgesehen hat weiss, dass man dort von Informationen erschlagen wird. Es ist also keineswegs so, dass Mangel an Informationen herrscht. Vielmehr sind es so viele, dass man sie kaum analysieren kann. Und schlussendlich wird doch nicht der genaue Weg des Ratings preisgegeben – man kann die Ergebnisse also nie „nachrechnen“. Die Gewichtung der einzelnen Ratingfaktoren bleibt „Geschäftsgeheimnis“.
Die geplante Rotationspflicht wurde offensichtlich abgemildert. Ursprünglich wollte die EU die Unternehmen (und Staaten?) zwingen, ihren Ratinganbieter alle drei Jahre zu wechseln. Nun sollen sich nur bei der Beurteilung „komplexer Papiere“ die Agenturen abwechseln.
Diese neue EU-Regulierung löst nicht die Probleme auf dem Ratingmarkt, sondern begünstigt hauptsächlich die EU-Regierungen bei ihren Finanzierungsbemühungen.