Investor-Pays Model and Tobin-Tax combined

Momentan arbeite ich gerade an einem neuen Diskussionspapier, das noch nicht veröffentlicht wurde. Ich habe jedoch bereits mehrfach von meiner Idee berichtet, u.a. werde ich damit wohl in einer Master-Thesis an der London School of Economics zitiert. Daher wollte ich die Grundzüge des Modells an dieser Stelle wenigstens kurz skizzieren.

Ich bin der Meinung, dass die Kombination zweier m.E. suboptimaler Ansätze das Potenzial hat, den Ratingmarkt zu verbessern. Aber zunächst die zwei Vorschläge, die ich dann verbinde.

Die Kritik an den Ratingagenturen ist noch immer allgegenwärtig und wurde auch an dieser Stelle häufig erläutert. Insbesondere das Geschäftsmodell, mit der Tatsache, dass Agenturen von den benoteten Unternehmen bezahlt werden (Issuer Pays), steht wegen der systemimmanenten Interessenkonflikte unter Dauerbeschuss. Kurz zusammengefasst: das Unternehmen zahlt und will ein gutes Rating. Die Agentur arbeitet gewinnmaximierend und kann daher ihre Kunden nicht mit schlechten Ratings verprellen. Daher sinken die Anforderungen an gute Ratingnoten (Race to the Bottom). Und wenn die eine Ratingagentur dem Unternehmen eine -aus dessen Sicht- zu schlechte Ratingnote gibt, geht das Unternehmen zur nächsten Agentur. Und zur nächsten. Bis ein passendes Rating erteilt wurde (Rating Shopping).

Als Lösungsvorschlag wird häufig das Investor Pays Model angeführt. Hier zahlen diejenigen für das Rating, die das größte Interesse an einer Bonitätseinschätzung haben – die Investoren. Meine zwei Hauptkritikpunkte an diesem Modell:

1. Auch Investoren können großen Einfluss auf eine Ratingnote nehmen. Großinvestoren, wie z.B. die amerikanischen Pensionsfonds, haben eine Macht, der sich die Agenturen nicht entziehen können. Und sie haben – genau wie die Unternehmen – ein großes Interesse an einer Einflussnahme auf Ratingergebnisse. Steht z.B. in den Anlagerichtlinien eines Fonds, dass er nur im Bereich Investment Grade investieren darf, ist den Fondsmanagern viel daran gelegen, dass das Rating der von ihnen gehaltenen Papiere nicht herabgestuft wird. Sie wären in diesem Fall gezwungen, zu verkaufen und müssten ggf. hohe Verluste realisieren.

2. Ich glaube nicht, dass die Einnahmen bei diesem Modell auch nur annähernd an die momentanen Erträge heranreichen würden. Welcher Investor wollte diese Summen an die Ratingagenturen zahlen? (N.B.: ein Erstrating kostet Unternehmen ab 100.000 Euro aufwärts)

Der erste Teil meiner Kombination ist also für sich genommen wenig geeignet, die Situation auf dem Ratingmarkt zu verbessern.

Nun zur Tobin-Tax, aktuell auch Finanztransaktionssteuer genannt. Unabhängig von der jeweiligen politischen Begründung – „böse“ Spekulationen verhindern, die Verursacher der Krise zur Kasse bitten etc. – wird mit der Tobin-Tax jede Finanztransaktion besteuert. Der Steuersatz, der in der EU eingeführt werden soll, liegt zwischen 0,01% und 0,1%. Laut Tagesschau soll dies zu Steuereinnahmen i.H.v. bis zu 35 Mrd. Euro führen. Der Hauptkritikpunkt der Wissenschaft seit jeher lautet: nicht nur Spekulationen, sondern auch realwirtschaftliche Transaktionen werden verteuert. Dies führt zu Marktverzerrungen und im schlimmsten Fall dazu, dass lohnende (reale) Investitionen oder Geschäfte aufgrund dieser Steuer nicht mehr durchgeführt werden (können).

Also auch die zweite Idee ist aus meiner Sicht suboptimal.

Was aber, wenn man diese zwei schlechten Ideen kombiniert?

Man verwendet die Einnahmen der Finanztransaktionssteuer zur Entlohnung der Ratingagenturen.

Mit der Tobin-Tax werden genau diejenigen belastet, die ein Rating verwendet haben, oder zumindest ein Interesse an einem Rating hatten, um ihre Investitionsentscheidung zu treffen. Damit hat man zielgenau das Investor Pays Model umgesetzt. Und ganz im Sinne der geneigten Parteiflügel: breite Schultern (also Investoren mit großen Beträgen) tragen mehr Lasten als die schmalen Schultern der Kleinanleger. Kann eine Steuer zielgenauer wirken?

Und da die Steuer – möglichst weltweit – von einer (unabhängigen) staatlichen Institution eingesammelt und anschliessend an die Ratingagenturen verteilt wird, entfallen die Probleme des Investor Pays Models. Alle Steuereinnahmen werden von einer entsprechenden staatlichen Stelle an die verschiedenen Ratingagenturen verteilt. Größtes Manko (aus Politikersicht) ist natürlich, dass sie damit nicht mehr den Staatshaushalten zugute kommen. Die Politik hat jedoch die Macht über den Verteilungsschlüssel, kann regelkonformes Verhalten honorieren, Verstöße bestrafen und sogar den Wettbewerb fördern, indem kleinere Agenturen explizit berücksichtigt werden.

In meinem Paper wird natürlich noch untersucht, wie hoch das Steueraufkommen sein muss, um eine marktgerechte Entlohnung der Agenturen sicherzustellen – es muss ja nicht unbedingt immer zu einer Umsatzrendite von über 50% führen. Auch die Verteilung an die verschiedenen Ratinganbieter darf selbstverständlich nicht politischer Willkür unterliegen. Im Gegenzug müssen die Agenturen jedoch verpflichtet werden, alle geforderten Ratings durchzuführen. Hier kann durchaus auch an Sanktionsmechanismen gedacht werden. Die Ratingnoten selbst dürfen allerdings niemals politisch/finanziell beeinflusst werden. Eine politisch vollkommen unabhängige Institution – wie z.B. die EZB – könnte die Verteilung festlegen.

Mit diesem Modell schliesse ich nicht aus, dass zusätzlich weiterhin Emittenten ein Rating beauftragen und bezahlen. Und auch mein eigenes Modell der institutsgruppen-eigenen Ratingagenturen hat noch immer seine Daseinsberechtigung.

Aber wenn sich die Finanztransaktionssteuer nicht verhindern lässt und das Investor Pays Model immer wieder gefordert wird – dann kann man mit dieser Kombination zu einem pareto-superioren Ergebnis kommen.

Ich freue mich auf Feedback.

 

NACHTRAG: der Jahresumsatz von S&P liegt bei ca. 3,1 Mrd. US-Dollar, Moody’s ca. 2,7 Mrd. und Fitch Ratings ca. 400 Mio. US-Dollar.

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