CoCo-Bonds – Convert to Steal

Heute erreichte mich eine Pressemitteilung der Technischen Universität München, die die Ergebnisse einer modelltheoretischen Untersuchung von CoCo-Bonds, also von bedingt wandelbaren Anleihen, darstellt. Das Working Paper von Tobias Berg und Christoph Kaserer mit dem Titel „Does Contingent Capital Induce Excessive Risk-Taking?“ findet sich hier und wird im Journal of Financial Intermediation veröffentlicht (Glückwunsch).

Die Kurzversion:
Eine Lehre aus der Finanzkrise ist, dass Banken mehr Eigenkapital benötigen, damit sie bei neuen Krisen nicht (wieder) vom Steuerzahler gerettet werden müssen. Eigenkapital, bzw. genauer Kernkapital, ist für Banken jedoch nicht so einfach zu attrahieren. Hauptsächlich handelt es sich um Aktien, deren Platzierung insbesondere in Krisenzeiten schwierig ist. Um die höheren Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen, setzen Banken wandelbare Anleihen ein. Diese CoCo-Bonds haben einen festen Zinssatz und werden unter bestimmten Bedingungen in Eigenkapital der Bank umgewandelt, i.d.R. bei Unterschreiten der 7 Prozent-Kernkapitalquote. Die bisherigen Fremdkapitalgeber werden dann zwangsweise Aktionäre oder müssen vollständig auf ihre Ansprüche verzichten.
Die Anleihen sind leichter zu platzieren als z.B. Aktien und bieten den Investoren höhere Zinsen als andere Unternehmensanleihen.

Sinn dieser Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen und damit auch der CoCo-Bonds ist die Erhöhung der Stabilität des Bankensystems. Ob dies tatsächlich funktioniert untersuchten die Professoren Berg und Kaserer in ihrer Studie.

Sie stellten fest, dass bei etwa der Hälfte der emittierten CoCo-Bonds ein Write-Down Mechanismus im Vertragsverhältnis festgeschrieben wurde. Bei Unterschreiten der kritischen Kernkapitalquote werden diese Bonds nicht in Aktien der Bank umgewandelt, sondern die Gläubiger verlieren ihre Ansprüche. Bei den anderen Verträgen war das festgelegte Umwandlungsverhältnis von Bonds in Aktien für die Investoren sehr ungünstig. Der Gesamtwert der Aktien läge niedriger als der Gesamtwert der Anleihen.

Kurzer Einschub: ich kann gar nicht oft genug wiederholen, wie wichtig es ist, die Vertragsbedingungen zu lesen!

Der Neo-Instututionalist in mir freut sich über die weiteren Fragen und Ergebnisse der Studie. So wurde festgestellt, dass neben den Gefahren für die Anleger durch die CoCo-Bonds zusätzlich Anreize für das Bankmanagement bzw. die Anteilseigner geschaffen werden, eine Krise zu verstärken. Gerät die Bank in Schwierigkeiten, könnte sie absichtlich ihre Lage verschlechtern, um die Umwandlung der Anleihen auszulösen. So würde die Bank einen Teil der Schulden auf Kosten der ehemaligen Fremdkapitalgeber los.

Dies erinnert mich stark an die Krise der Savings and Loan Associations in den USA in den 1980ern. Damals hatten die Banken auch Anreize zum „Gambling for Resurrection“. History repeating?
Würden jedoch die Anleihen zum Marktwert getauscht, hätten Convertible Bonds tatsächlich die erhoffte stabilisierende Wirkung auf das Bankensystem. Die Altaktionäre würden alles unternehmen, damit die Umwandlung nicht ausgelöst wird und die vielen neuen Aktionäre die bisherigen Beteiligungsquoten nicht verwässern.

Je nach Vertragsgestaltung können CoCo-Bonds also tatsächlich einen Beitrag zur Stabilisierung leisten und zusätzlich eine gut verzinste Anlage für Investoren darstellen.

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Sparkassen schlecht im Kerngeschäft

Das Manager Magazin berichtet von einer internen Studie der Sparkassen, in der sie sich selbst gravierende Mängel im Privatkundengeschäft bescheinigen. Der Großteil der Privatkunden liefere einen negativen Ergebnisbeitrag. Einer der Gründe sei die schwache Leistung der Mitarbeiter, die mit der Komplexität der Produkte häufig überfordert seien. Insbesondere bei der Betreuung vermögender Privatkunden schneiden die Sparkassen schlecht ab. Sie liegen in der Rangfolge hinter der Deutschen Bank, Commerzbank, MLP (!) und den Volksbanken auf Platz fünf.

Viele Grüße an die hier mitlesenden ehemaligen Kolleginnen und Kollegen. Da arbeitet man doch gern bei der Sparkasse.

Neben meiner persönlichen Verbundenheit mit der Sparkassen-Finanzgruppe ist dieses Ergebnis auch deshalb traurig, da ja eigentlich die nicht-gewinnorientierten, öffentlich-rechtlichen Institute ein Gegengewicht zu den Privatbanken darstellen sollten. Wenn sie dies in ihrem originären Geschäft nicht besonders gut können, wird das gesamte Drei-Säulen-Prinzip der Banken in Deutschland in Frage gestellt.

Als DSGV hätte ich auf Nachfrage anders argumentiert. Gegenüber dem MM wurde geäussert, die Analyse sei, wie bei solchen Projekten üblich, überspitzt. Wer macht da die Öffentlichkeitsarbeit?!
Die hätten sagen sollen, dass der negative Ergebnisbeitrag der Privatkunden an der guten (und teuren) Ausbildung ihrer Mitarbeiter und den günstigen Konditionen gerade für Kleinsparer liegt.

Bis 2017 sollen 225 Mio. Euro in das Projekt Internet-Filiale 6.0 und in eine neue IT-Plattform investiert werden.
Hoffen wir für die Sparkassenorganisation, dass das Früchte trägt. Ich wünsche mir weiterhin drei Banksäulen in Deutschland.

EZB sieht Wende bei Kreditvergabe

Einem Reuters-Bericht zufolge sieht die EZB erste schwache Anzeichen zu einer verbesserten Kreditvergabe der Banken. Der Kredit-Zyklus sei am unteren Wendepunkt – die Unternehmenskreditvergabe sinke zwar weiterhin, aber mit abnehmenden Raten. Die Talsohle sei erreicht. Zusätzlich stieg der Vergabe von Konsumentenkrediten.

Die EZB erwartet, dass in den kommenden Monaten ihre geldpolitischen Maßnahmen greifen. Viele der notwendigen Bedingungen zur Erhöhung der Kreditvergabe seien vorhanden und die EZB stehe bereit, diesen Prozess zu unterstützen.

Aus meiner Sicht stellt sich weiterhin die Frage, ob die Ausweitung der Kreditvergabe der Banken tatsächlich immer für Wachstum – oder gar zur Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt – notwendig ist.

Bedeutungsverlust der Ratingagenturen?

Mit dem Titel „AAA? Egal!“ beschrieb vor einigen Tagen die Süddeutsche Zeitung den Macht- und Bedeutungsverlust der großen Ratingagenturen. Sechs Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise seien die Urteile der Agenturen in Teilen irrelevant. Insbesondere habe sich die Bedeutung der Länderratings deutlich reduziert, was mit den Haftungszusagen der Europäischen Zentralbank EZB zusammenhängt. EZB-Präsident Mario Draghi hatte 2012 in seiner „Whatever it takes“-Rede die sehr lockere Geldpolitik mit Nullzins (bzw. mittlerweile mit negativen Einlagenzinsen) und Staatsanleihenkäufen angekündigt.

Damit sind Länderratings tatsächlich irrelevant – die EZB wird’s schon richten. Einzig die Unterscheidung von Investment Grade und Speculative Grade ist noch interessant, weil viele institutionelle Investoren laut ihren Anlagerichtlinien nur im Investment Grade investieren dürfen.

Unternehmensratings, so die SZ, seien jedoch nach wie vor wichtig. Ein Vertreter der Bremer Landesbank wird mit der Aussage zitiert, dass die Ratingagenturen bei Unternehmensratings einen „unpolitischen und zumeist guten Job“ machen. Das sei auch wichtig, da aufgrund der niedrigen Verzinsung staatlicher Wertpapiere viele Investoren die höher verzinsten Unternehmensanleihen kauften.

Scheinbar ist die Ratingwelt in Ordnung. Diejenigen, die am lautesten gegen die Agenturen wetterten – die Politiker der vermeintlich zu schlecht bewerteten Länder – sind dank der „unabhängigen“ Zentralbank ruhig gestellt. Laut wird es kurzzeitig nur, wenn mal eine (riskante und daher gut verzinste!) Unternehmensanleihe, z.B. bei den erneuerbaren Energien, ausfällt. Da geht es dann aber weniger um Ratings als vielmehr um den zu verbessernden Anlegerschutz.

Das Problem des unvollkommenen Wettbewerbs auf dem Ratingmarkt wurde bisher nicht gelöst. Der SZ-Artikel hilft jedoch meinem Modell (Miniversion: Banken können die Bonität von Unternehmen mindestens genauso gut einschätzen wie Ratingagenturen, die Buchversion gibt es hier). Bei fast allen meiner Vorträge war eine wesentliche Frage der Teilnehmer: können Kreditinstitute Länderratings durchführen? Diese Frage scheint – zumindest momentan – irrelevant, auch wenn ich schon damals eine passende Lösung hatte.

Ich teile die Einschätzung der SZ, dass Unternehmensratings enorm wichtig sind. Dann ist aber der Zustand des Ratingmarktes aus Investorensicht extrem unbefriedigend.
Ein Duopol, das „zumeist“ einen guten Job macht?
Welcher Investor will sich darauf verlassen?

Völlig uneigennützig halte ich es für an der Zeit, sich mein Modell zur Erhöhung des Wettbewerbs und der Transparenz auf dem Ratingmarkt mal wieder anzusehen.