Aus der geplanten „Europäischen Ratingagentur“ von Roland Berger ist „New Rating“ geworden und das ursprüngliche Geschäftsmodell hat sehr verändert. Ausserdem meldet sich Gütersloh mal wieder zu Wort – mit der geplanten Ratingagentur der Bertelsmann-Stiftung INCRA.
Die Financial Times Deutschland berichtet am 22.11.2012 über das Vorhaben des ehemaligen Roland Berger Partners Markus Krall, eine Europäische Ratingagentur zu gründen. Von den ursprünglichen Zielen ist er mittlerweile fast vollständig abgewichen.
Der Hauptgedanke war, ein europäisches Gegengewicht gegen die amerikanisch dominierten Bonitätswächter aufzubauen. Es sollte eine unabhängige Stiftung werden, die für ihre Ratings von den Investoren – und nicht wie üblich von den Emittenten – bezahlt wird.
Als ich im Mai 2012 mit Herrn Krall bei der BaFin auf dem Podium saß, deutete sich bereits an, dass für die anfangs geplante „Anschubfinanzierung“ von 300 – 500 Mio. Euro nicht genügend Investoren zu finden waren. Mit der Verringerung des benötigten Startkapitals auf ca. 150 Mio. Euro geht nun allerdings auch eine komplette Veränderung der Geschäftsidee einher. Die interessanten Ideen, dass die Agentur eine unabhängige Stiftung werden sollte und die Ratings nicht wie üblich von den Emittenten (Issuer Pays Model), sondern von den Investoren (Investor Pays Model) gezahlt werden sollten, liessen sich nicht umsetzen. Mittlerweile soll Krall Wagniskapitalgeber suchen, die Stiftung wäre nur noch einer von mehreren Investoren. Damit ist die angestrebte „Unabhängigkeit“ hinfällig. Die Idee, dass Investoren für die Ratings zahlen sollen, sei schon lange erledigt, so die FTD.
Was bleibt übrig? Eine kleine, neue, unterfinanzierte Ratingagentur, die wie alle anderen aufgebaut und aufgestellt ist. Ohne historischen Track-Reckord, ohne Mitarbeiter, ohne Kunden, noch ohne aufsichtliche Zulassung, ohne das Vertrauen der Marktteilnehmer. Und ohne den möglichen Startbonus, den Ratingmarkt durch neue Ansätze zu verbessern. Auch wenn ich mich über jeden neuen Wettbewerber auf dem Ratingmarkt freue – so kann das nicht funktionieren! Zusätzlich sind die kleinen deutschen – aufsichtlich zugelassenen – Ratingagenturen, wie Creditreform und Euler Hermes, bereits wesentlich besser positioniert.
Und nun in die Metropole Gütersloh. Dort hat die Bertelsmann-Stiftung ihren Sitz. Und die hat, laut der Neuen Westfälischen, am 20.11.2012 eine Machbarkeitsstudie zu einer neuen Ratingagentur vorgelegt. (Ich meinte mich zu erinnern, dass die Agentur bereits im April 2012 in Washington gegründet wurde. Das war aber auch nur die Vorstellung des Konzepts). Das Bertelsmann-Kind trägt den Namen INCRA – International Non-Profit Credit Rating Agency. Nomen est omen – eine nicht-gewinnorientierte Ratingagentur. Ob die Bertelsmann-Stiftung unabhängig ist vermag ich nicht zu beurteilen. Finanziert werden soll die INCRA aus einem 400 Mio. Euro Fonds, dessen Ausschüttungen die laufenden Kosten trägt. Jetzt dachte ich: gut, die Bertelsmann-Stiftung scheint ja – im Gegensatz zu Roland Berger – über ausreichende Mittel zu verfügen. Allerdings berichtet die Neue Westfälische weiter: „Beteiligen können sich daran [an dem Fonds] Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und Privatleute.“ Ach so. Ich dachte, die hätten das Geld schon beisammen. Na dann viel Erfolg!
Für die interessierten Investoren unter meinen Lesern: die non-profit INCRA will ausschliesslich Länder und internationale Organisationen benoten und diese Ratings sind kostenlos (oder umsonst?).
Auch diesem, seit längerem geplanten, neuen Wettbewerber auf dem Ratingmarkt wünsche ich viel Erfolg.
Ohne übermäßig pessimistisch erscheinen zu wollen: sowohl bei New Rating als auch INCRA bin ich eher pessimistisch. Aus ähnlichen Gründen: kein Geld, kein wirklich neues Konzept, keine Historie, kein Vertrauen der Marktteilnehmer, ….
Dabei existiert doch ein hervorragendes weiteres Modell zum Ratingmarkt!