Alarm auf dem Ratingmarkt

Momentan herrscht großer Aufruhr auf dem Ratingmarkt. Zumindest auf politischer Seite. Und ich befürchte, das führt zu keinem guten Ende. Aber der Reihe nach.

Seit meinem letzten Post ist einiges passiert. Zunächst äusserte sich S&P zur politischen Lösung der griechischen Schuldenkrise. Das Konzept der europäischen Regierungen mit einer „freiwilligen“ Beteiligung der Banken und Versicherungen könne als Zahlungsausfall (selective default) gewertet werden. Genau diese Situation sollte durch die Freiwilligkeit der Beteiligung vermieden werden, da das zum Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft und zu einer Ansteckung weiterer Euroländer, wie z.B. Portugal oder Irland, führen könne.(FAZ)[Zur „freiwilligen“ Beteiligung findet sich auch ein guter Beitrag in Dirk Elsners blicklog]

Als Reaktion auf die Aussagen von S&P hat Bundeskanzlerin Merkel die Bedenken beiseite gewischt. Sie vertraue der EU-Kommission, der EZB und dem IWF. Natürlich. Diese Haltung scheint jedoch vom Koalitionspartner FDP nicht uneingeschränkt geteilt zu werden. Volker Wissing wird zitiert mit der Aussage, dass der Markt unabhängige Ratings benötige und dass unabhängig auch unbequem bedeuten könne. Diese Meinung teile ich ausdrücklich. Und auch die FTD kommentiert: „S&P zerpflückt Pariser Rettungsplan zu Recht„.

Sehr schnell folgte der nächste Schlag (gegen die EU-Politiker?): Moody’s stufte Portugal auf Junk-Status herab. BusinessInsider sieht dabei als wesentliche Gefahr die Beteiligung des privaten Sektors als Voraussetzung für weitere Hilfen. Damit wird für Portugal der Zugang zu Kapital über die Märkte erschwert (=verteuert).

Zwischendurch meldet sich der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zu Wort und fordert von der Politik eine grundlegende Lösung der Probleme auf dem Ratingmarkt. Folgendes Zitat hat mich aus purem Eigennutz extrem erfreut:

Nötig wären dann ein umfassendes eigenständiges Rating der Banken und Versicherungen und eine akribische Überprüfung dieser Ergebnisse durch die staatliche Finanzaufsicht.

Das entspricht exakt meinem Modell – und die Überprüfung des Ratings ist seit Einführung von Basel II und dem Ansatz bankinterner Ratings schon qua Gesetz vorgegeben. Danke Herr Professor Bofinger!

Der EU-Kommisionspräsident Barroso äußerte die Befürchtung, dass „Ratings Agencies may be biased against Europe„. Ein portugiesischer Politiker nannte das Vorgehen von Moody’s „Terrorismus„. Und Italiens Finanzaufsicht bestellte die Vertreter der großen Ratingagenturen zum Rapport (Handelsblatt).

Die jüngste Idee der Politiker: „EU erwägt Maulkorb für Ratingagenturen„. Die EU-Kommission überlegt tatsächlich, die Bewertung „der größten EU-Sorgenkinder“ zu verbieten. Schöne Lösung. Ich fordere: Verbot für Ärzte, tödliche Diagnosen zu stellen. Dann werden wir alle ewig leben!

BusinessInsider zählt die Ratingagenturen zu dem „most hated companies in the world„. Zusätzlich wird der geografische Problembereich erweitert. Denn schliesslich sind nicht nur EU-Staaten von Ratings betroffen. Auch die USA wurden gewarnt, dass ihr aktuelles AAA-Rating nicht in Stein gemeißelt sei. Eine Herabstufung ihres Ratings könnte dann auch die USA zu ähnlich kreativen Lösungen veranlassen.

Meine Befürchtung ist, dass (zunächst) die EU-Politiker mit aller Macht beweisen wollen, dass sie und nicht die Ratingagenturen das Sagen haben. Und dieses Machtspiel könnte böse enden, da Politiker zwar Gesetze erlassen können, sich aber noch keine tragfähige Alternative zu den Ratingagenturen zeigt (abgesehen von meinem Modell natürlich – aber auch das benötigt einen gewissen Vorlauf, um sich die nötige Marktakzeptanz zu erarbeiten). Die Politik will also relevante Informationen verbieten lassen. Dies wird allerdings auf den Märkten nichts bewirken, da die Marktteilnehmer einfach alle von dem Ratingverbot betroffenen Länder mit D, also default=Zahlungsausfall, bewerten werden.

Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass mit einem solchen Verbot z.B. die EZB von ihren Ratingfesseln befreit wird. Und Staatsanleihen der betroffenen Staaten aufkaufen kann. Ist das das Ziel dieses Verbots?

Vermutlich wird die europäische Politik schnell und einzig zum Beweis ihrer Handlungsfähigkeit irgendeine seltsame Regelung beschliessen, die sie vermeintlich vor dem Einfluss der Ratingagenturen schützt. Die grundlegenden Probleme werden so nicht gelöst und die Kapitalmärkte werden dieses Machtspielchen durchschauen. Ich mache mir nur Sorgen über die langfristigen Auswirkungen solch hektischer Betriebsamkeit von Politikern.

Nachtrag: gerade habe ich noch einen guten Beitrag im Spiegel gesehen – Ratingagenturen als perfekte Sündenböcke (danke für den Link @eurotopics)

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